Dornröschen

Christina Laube (Text), Mehrdad Zaeri (Illustration)

Cover: Laube, C. & Zaeri, M. (2019). Dornröschen. Knesebeck.

Worum geht es?

In diesem Bilderbuch wird das bekannte Märchen "Dornröschen" der Gebrüder Grimm nacherzählt und durch Illustrationen unterstützt. Die Geschichte selbst weicht kaum von der Version der Gebrüder Grimm ab. Ein Königspaar bekommt eine Tochter, bei der Geburtstagsfeier wird das Kind verflucht, dass es sich mit 15 Jahren an einer Spindel sticht und in einen 100-jährigen Schlaf fällt, dies geschieht auch bis sie nach 100 Jahren von einem Prinzen wachgeküsst wird und der Fluch gebrochen wird. Die Geschichte ist weder stark gekürzt, noch verändert oder ähnliches. Der Fokus dieses Bilderbuches liegt ganz klar auf den Illustrationen. Diese nehmen auch den weitaus größten Teil des Buches ein, während der Text hingegen relativ klein an unterschiedlichen Orten auf die Seite gedruckt ist. Das Buch ist mit 322mm mal 266mm verhältnismäßig groß, was jedoch auch meines Erachtens nach eine notwendige Größe ist, um den magischen Illustrationen gerecht zu werden. Besonders ist nämlich, dass es sich bei diesem Bilderbuch nicht um ein reguläres zwei-dimensionales Bilderbuch handelt. Einige Seiten sind durch Scherenschnitte und kunstvoll übereinanderlappenden Ausschnitten fast schon drei-dimensional gestaltet. Die Gestaltung ist sowohl für groß und klein ansprechend gestaltet und perfekt auf den Inhalt des Märchens abgestimmt. 

Wie sind Bilder gestaltet?

Das Cover des Bilderbuches ist in verschiedenen Grüntönen gestaltet. Der Hintergrund ist in einem dunkleren Grün gehalten. Von den Rändern ausgehend ziehen sich Rosenranken in das Bild ein und zentral ist durch einen Ausschnitt des Covers der Kopf von Dornröschen und der des Prinzen, der sie küsst, zu sehen. Direkt darunter findet sich groß der Titel wieder. 

Jede Doppelseite ist in einer zusammengehörenden Illustration gestaltet. Auf einer der beiden Seiten oder manchmal auch auf beiden findet sich immer der dazu gehörende Text. Das Buch lebt von großflächigen, einfarbigen Hintergründen, auf denen durch dunklere Schattierungen die im Text beschriebene Szene angedeutet wird. Dabei spielt die Darstellung mit Hell-Dunkel-Kontrasten oder Qualitätskontrasten. Die Bilder sind stark auf die gewählten Textauszüge für die jeweilige Doppelseite abgestimmt. So zeigt beispielsweise die Seite, in der beschrieben wird, dass der König alle Spinnräder in seinem Königreich verbrennen ließ, einen großen Haufen an rot und grau gestalteten Spinnrädern auf gelbem Hintergrund. Das Feuer ist mit schwarzen und grauen, nach oben ziehenden Schlieren, die an Rauchfäden erinnern, angedeutet. Obwohl die Bilder nicht detailliert ausgearbeitet werden, wird durch dieses Spiel von farblichen Darstellungen und grauen Wiederholungen des Dargestellten eine Tiefe erzeugt. Zusätzlich spielen die Bilder mit verschiedenen Größen. Die Spinnräder sind so beispielsweise sehr groß dargestellt und türmen sich fast die gesamte Seite hoch, während die Menschen, das Königspaar auf dem Turm des Schlosses sowie die Dorfbewohner viel kleiner dargestellt sind und bloß am unteren Rand der linken Seite zu sehen sind. Die einzelnen Menschen sind dabei sogar bloß halb so groß wie die Spinnräder. Die Größenverhältnisse stimmen in den Darstellungen überhaupt nicht, unterstützen aber die Stimmung, die durch die Bilder transportiert werden sollen, enorm. Die Bewohner des Königreichs wirken durch die kleine Darstellung hilflos gegenüber dem Fluch der bösen Fee, der hier durch die Spinnräder symbolisiert wird. 

Dieses Spiel mit unterschiedlichen Machtverhältnissen, Hilflosigkeit und Isolation, die durch die Größendarstellung oder die bewusste Platzierung einzelner Charaktere in der Mitte oder am Rand der Seiten transportiert wird, zieht sich durch das gesamte Buch. So wird die 13te Fee, die eben nicht zum Fest eingeladen wurde, beispielsweise isoliert am linken unteren Rand einer Doppelseite platziert, während die anderen zwölf Feen, die Wiege des Königskindes sowie der Text alles auf der rechten Seite zu finden sind. Dieser Ausschluss der 13ten Fee, der schließlich den Grund für den Fluch darstellt, wird hier also durch die durchdachte Platzierung der einzelnen bildnerischen Darstellungen und dem Textabschnitt unterstützt. 

Am Herausstechendsten sind die Seiten, die durch Scherenschnitte oder Ausschnitte gestaltet sind. Diese Seiten stellen oft Wendepunkte in der Geschichte dar. So gehört beispielsweise das Fest, an dem die böse Fee Dornröschen verflucht, zu einem dieser ausgeschnittenen Seiten, wie auch die Szene, in der der Fluch nun trotz aller Gegenmaßnahmen wahr wird, das gesamte Königreich einschläft und die Rosenhecke das Königreich verschlingt. Auch der Königssohn, der Dornröschen wach küsst, das Königreich nach 100 Jahren befreit und somit ebenfalls ein Wendepunkt in der Geschichte darstellt, ist in diesen Ausschnitten gestaltet. 

Insgesamt eine wunderschöne Gestaltung des Märchens, welches nicht nur den Inhalt selbst, sondern auch die Stimmung und Emotionen der jeweiligen Textabschnitte wunderbar unterstreicht.


Wie wird die Geschichte verändert?

Dieses Bilderbuch von Dornröschen weicht kaum von dem Prätext ab. Es handelt sich bei der hier geschriebenen Geschichte um eine Nacherzählung des Märchens der Gebrüder Grimm mit denselben Figuren und demselben Inhalt. Auch die Sprache, in der die Geschichte verfasst ist, ist der des Prätextes sehr ähnlich. Einige Stellen könnten sogar direkt zitiert sein, wie etwa die Stelle, in der beschrieben wird, wie mit dem Dornröschen das gesamte Königreich in einen festen Schlaf fiel, "Die Eltern auf ihrem Thron, der Koch, der die Gans rupfte, die Tiere im Stall ..." (Laube & Zaeri, 2019). 

Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?

Die Geschichte selbst, die in dieser Ausgabe des Märchens von Dornröschen erzählt wird, ist nahezu identisch zu dem bekannten Prätext der Gebrüder Grimm. Sowohl inhaltlich als auch was die Figuren anbetrifft, wurden keine Änderungen vorgenommen. Der Prätext wurde allerdings in dieser Version, wie es eben für Bilderbücher natürlich ist, in Abschnitte unterteilt. Pro Doppelseite sind ein bis zwei Abschnitte der Geschichte zu finden. Dabei ist diese Aufteilung keineswegs zufällig: Die Abschnitte, deren Inhalt und die Stimmung, die in diesen "Szenen" transportiert werden sollen, sind perfekt auf die jeweiligen Illustrationen der Doppelseiten angepasst. Dadurch haben die Illustrationen auf die Geschichte einen unterstützenden Charakter. 

Schaut man sich nur die Illustrationen an, und ignoriert den Text, so kommt die Deutlichkeit der Bilder noch einmal besonders heraus. Jede Person, die mit dem Prätext, dem Märchen von Dornröschen vertraut ist, erkennt das Märchen ohne Zweifel bloß anhand der Bilder. So zeigt das erste Bild ein Königspaar, welches auf einem Balkon steht, währen die Königin ein Baby in den Armen hält. Am unteren Bildrand sieht man Hände, die jubeln und Blumen und Hüte in die Luft werfen. Diese Illustration beschreibt also zweifelsohne, wie ein Königspaar ein Kind zur Welt gebracht hat und wie das Königreich feiert, spiegelt also die Kernaussagen des Textabschnittes "Es war einmal ein Königspaar, das sich sehnlichst ein Kind wünschte. Als ihm nach langer Zeit endlich eine Tochter geboren wurde, war die Freude groß und der König ließ ein rauschendes Fest ausrichten" deutlich und unmissverständlich wieder. Auch auf den nächsten Seiten sind die Bilder fast schon selbsterklärend. Die wichtigsten Handlungsstränge werden nur durch die bildnerischen Mittel transportiert: Ein Königspaar bekommt ein Kind und alle feiern, 12 Personen sind bei dem Fest dabei, eine Person scheint böse zu sein und dem Kind etwas zu sagen, was die Beteiligten schockiert, daraufhin werden ganz viele Spinnräder verbrannt, die Tochter findet jedoch doch eine Frau mit einem Spinnrad und so weiter. 

Bloß Details wie beispielsweise die Motivation bestimmter Charaktere gehen nicht eindeutig aus den Bildern hervor. So sind die 12 Personen ohne den Text eventuell nicht eindeutig als Feen zu erkennen, es kommt nicht heraus, warum die 13te Fee nicht eingeladen wurde, dass diese das Kind verflucht oder was genau der Fluch ist. Dennoch unterstützen die Bilder das Märchen punktgenau. 

Quellen