Adaption als Spiel: Märchen in Videospielen

Angehende, oder auch bereits im Beruf stehende, Lehrkräfte stellen sich immer wieder die Frage, wie sie ihren Unterricht so schülerzentriert wie möglich gestalten können, denn wie alle wissen, ist eine lebensnahe Behandlung der Themen fast wie der Schlüssel zum Erfolg, um alle SchülerInnen mitzureißen und zu aktivieren. Innerhalb der letzten Jahre wurde dazu schon vermehrt mit digitalen Medien im Unterricht gearbeitet und auf diese gesetzt. Aber was ist, wenn man noch einen Schritt weiter denkt und diese Dinge mit in den Unterricht einbindet, für welche manche SchülerInnen ihre Freizeit aufgeben - nämlich Computerspiele.

Aber in diesem Fall eben diese Art von Computerspielen, die zu der Unterrichtsthematik passen und somit ein weiteres hilfreiches Standbein sein könnten. 

Denn eins haben wir alle bereits gehört – und zwar „Spielerisch lernt es sich am besten.“ (Christians, 2020, S. 14). Aber was steckt didaktisch dahinter und sind Videospiele aus didaktischer und methodischer Sicht wirklich qualitativ gut genug, um Teil des Unterrichts werden zu können? Das Computerspiel gilt als neuere mediale Umwelt, an der man aktiv teilnehmen und diese zudem gestalten kann. Bis jetzt ist das Computerspiel aber hauptsächlich in der Freizeit der SchülerInnen integriert und es bedarf einer Überführung in die Bildungskultur. Ein ganz klarer didaktischer Vorteil bilden dabei die Frei- bzw. Vorstellungsräume, die durch die virtuelle Umgebung geschaffen werden. Innerhalb dieser bekommen SchülerInnen die Möglichkeit, sich vorerst ohne Konsequenzen ausleben zu können und gelernte Inhalte eben spielerisch zu erfahren, womit diese greifbarer werden. Das bedeutet, dass selbst komplexe Lerninhalte den SchülerInnen lebensnah visualisiert werden können. (Zieher, o. D.)

Ein weiterer Punkt ist die Interpretationsfähigkeit, welche SpielerInnen von Computerspielen benötigen, um die Welten zu verstehen, denn hauptsächlich „persuasive Spiele“ (Möring, 2020, S. 42) werden dazu entwickelt, interpretiert zu werden, womit in Unterhaltungsspielen die praktische Handlung im Spielvordergrund steht und diese als Grundlage dazu dient, den „Text eines Spiels interpretieren zu können.“ (Möring, 2020, S. 42). Anschließend daran wurde durch Frasca und Bogost – ein Computerspielforscher und ein Gamedesigner – ein Konzept entwickelt, welches auf absichtlich eingebauten Intentionen beruht, die sich beispielsweise mit Vorurteilen beschäftigen. Dadurch findet bereits innerhalb der Spielumgebung eine Thematisierung eines Sachverhaltes statt, mit welchem sich die SpielerInnen während des Spielprozesses automatisch auseinandersetzen und damit umgehen müssen. Den Unterschied, den Computerspiele zu Texten haben, ist die Tatsache, dass sie den Sachverhalt nicht direkt benennen müssen, sondern die Möglichkeit haben, diesen zu simulieren, womit sie für SpielerInnen ebenfalls genauso interpretierbar sind. (Möring, 2020)

Bei dem Einsatz von Computerspielen sind einige Dinge zu beachten: die lizenzrechtliche Situation, die technischen Voraussetzungen und die pädagogische Eignung für die Unterrichtseinheit und die Schulklasse. Eine weitere Möglichkeit mit Computerspielen im Unterricht zu arbeiten, ist es, sich mit diesen auseinanderzusetzen – in Form von Rezensionen, Let´s Plays oder Podcasts. Somit wird Medienkompetenz auf eine Vielzahl von Möglichkeiten geschult und findet einen Platz in dem regulären Bildungsunterricht (Zieher, o. D.).

Einige Beispiele für digitale Spiele im Unterricht hat das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg auf seiner Homepage zusammengefasst: so gehören sowohl Assassin`s Creed Origins, Valiant Hearts, Minecraft als auch Scratch zu vorstellbaren Computerspielen für den Unterricht. (Zieher, o. D.) Abzuwägen ist aber immer, für welche Fächer und Klassenstufen welche Spiele genau in Betrachtung kommen.

Unterrichtsansatz

Auch wenn Sagen und Mythologien in Videospielen häufiger thematisiert werden, so beispielsweise in der Videospielreihe "God of War", in der der  griechische Kriegsgott Kratos die Hauptperson darstellt, so sind Märchen jedoch seltener in Videospielen vertreten. Gerade für Kinder sind Märchenfiguren, wie Dornröschen oder ähnliche als Avatare in beispielsweise Lernspielen vertreten, die Märchen selbst werden jedoch meist nicht thematisiert. 

Videospiele, die tatsächlich nicht bloß die Figuren beinhalten, sondern das Märchen selbst interpretieren, sind dabei größtenteils dem Genre der Horrorgames zuzuordnen und zeichnen dabei ein sehr düsteres Ambiente. 

Eins dieser Videospiele ist das Spiel "Alice: Madness Returns". In diesem wird das Märchen Alice im Wunderland von Lewis Caroll thematisiert und neu interpretiert. Zu beachten ist, dass dies auf eine düstere, blutige und brutale Art und Weise geschieht. Daher ist die Nutzung dieses Spiels frühestens für die höheren Stufen der Oberstufe geeignet, tendenziell eher sogar in Hochschulen. Außerdem würden wir empfehlen, die Beschäftigung damit auf einer freiwilligen Basis zu gestalten, da der Gruselfaktor relativ hoch ist und Videospiele an sich, insbesondere solche Horrorgames nicht jedermanns Sache sind. Denn gestalterisch gibt das Spiel einiges her, und so lohnt sich die Beschäftigung mit dem Spiel, gerade wenn es um die bildnerische Ausgestaltung des Märchens geht, beispielsweise im Vergleich mit schriftlichen Beschreibungen oder filmischen Darstellungen. 

Das Spiel beginnt in einem Waisenhaus in London, indem die Spielfigur Alice nun lebt und in Therapiestunden ihre Traumata aufarbeiten soll. Bereits in den ersten 15 Minuten wechselt der Ort jedoch schon in das Wunderland, von dem zunächst nicht bekannt ist, ob es tatsächlich existiert, oder ob dieses eine Art Traumland aus Alice Unterbewusstsein ist. Die Gestaltung des Wunderlands bietet dabei viel Raum für Analysen und Vergleiche mit Lewis Carolls Märchen oder der gleichnamigen Verfilmung von Tim Burton. Dabei ist das Wunderland selbst innerhalb des Spiels sehr kontrastreich gestaltet, von einer märchenhaften Zauberwaldatmosphäre, bis zu dem düsteren Schloss der roten Königin.

Eingebettet in eine Unterrichtseinheit über die optische Gestaltung von Märchenadaptionen beispielsweise in Filmen oder auch anhand Bilderbücher könnte man eine längerfristige Gruppenarbeit gestalten, in der sich eine Gruppe mit dieser Art der Märchenadaption befasst und der Klasse oder der Seminargruppe schließlich vorstellt. Das Spiel muss nicht zwingend selbst gespielt werden, da es auf Youtube beispielsweise eine Menge an Let's plays oder Walkthroughs gibt, die man sich anschauen kann. Hier können sich die SchülerInnen oder Studierende andere Gamer anschauen, wie diese das Spiel spielen, um so einen Eindruck zu bekommen. Allerdings würden wir der Gruppe ans Herz legen, das Spiel tatsächlich selbst anzuspielen, da Videospiele gegenüber anderen Medien, wie Filmen und Serien einen klaren Vorteil haben, den man auch natürlich nutzen sollte: Als Spieler kann man sich in dem vorgegebenen virtuellen Raum frei bewegen und bekommt so einen tieferen Einblick in den Ort, als beispielsweise beim bloßen Anschauen eines Filmes. Die Erfahrung beim selbstständigen Bewegen ist eine ganz andere. Auch beim bloßen Anschauen von Let´s plays kann nicht dieselbe Erfahrung gemacht werden, wie beim eigenen Spielen. Gerade, wenn Videospiele als Medium im Unterricht genutzt werden, sollten diese auch tatsächlich selbst gespielt werden, um diese Vorteile von den Videospielen gegenüber anderen Medien, wie dem Film, zu nutzen. Videospiele sind nämlich insbesondere um die Aufmachung des Ortes, wie hier dem Wunderland, zu analysieren, vorteilhaft. Fragestellungen, an denen sich die Gruppe orientieren kann, können dabei sein: Wie wird das Wunderland dargestellt? Welche Wirkung hat es auf den Spieler oder die Spielerin? Woran macht ihr das fest? Wie sind die Figuren dargestellt? Welche Parallelen gibt es zu Lewis Carolls Beschreibungen? 

Bei der schlussendlichen Vorstellung eignet es sich auch Bilder oder sogar kleinere Videos, die die Beschreibungen und Analysen optisch unterstützen, einzufügen. Dies ist durch Screenshots oder kurze Videoclips möglich. 

Wichtig ist, dass keinesfalls das ganze Spiel durchgespielt werden muss. Um einen Eindruck von der Darstellung des Wunderlands zu bekommen, reichen bereits die ersten ein bis zwei Spielstunden. Das Spiel steht für die Playstation 3, die Xbox 360, aber auch für Microsoft Windows zur Verfügung. Das heißt, es ist eigentlich auf jedem PC oder Laptop spielbar. Mit rund 20 Euro Neupreis gehört es auch zu den günstigeren Spielen, auf Ebay findet man dieses jedoch sowohl mit Disc, als auch ohne günstiger. Es gibt aber auch bei Videospielen die Möglichkeit, diese auszuleihen. 

Quellen