Cinderella 

USA, 1950

Worum geht es?

Die schöne Cinderella lebt als Waise bei ihrer bösen Stiefmutter und dessen garstigen Töchtern in einem Schloss. Dort muss sie stets schwere Arbeit leisten, während sie von den Frauen ausgegrenzt und gedemütigt wird. Cinderella zieht sich in ihre Traumwelt zurück und hofft auf ein besseres Leben. Ihr Schicksal wendet sich, als der König zu einem Ball einlädt, an dem jedes heiratsfähige Mädchen teilnehmen darf. Cinderella ist hellauf begeistert und fiebert dem Ball entgegen. Ihre Stiefmutter jedoch versucht mit allen Mitteln, sie vom Ball fernzuhalten. Sie überhäuft Cinderella mit Aufgaben, sodass das arme Mädchen keine Zeit mehr hat, sich ein Kleid zu beschaffen. Auf die Hilfe ihrer Tierfreunde, zu denen Vögel und Mäuse gehören, kann sie stets zählen. Diese nähen das alte Kleid ihrer Mutter in ein wunderschönes Abendkleid um. Bei diesem Anblick erblassen die Stiefschwestern vor Neid und reißen ihr das Kleid vom Leib. Cinderella bricht in Tränen aus, als plötzlich eine gute Fee erscheint. Diese zaubert ihr ein Kleid und eine Kutsche herbei. Sie tanzt den ganzen Abend mit dem Prinzen und zieht alle Blicke auf sich. Als der Kirchturm zwölf schlägt, muss sich Cinderella beeilen, da der Zauber nur bis Mitternacht besteht. Während dieser Flucht verliert sie einen Glasschuh. Der Prinz ist verzweifelt und möchte Cinderella wiederfinden, weshalb jedes Mädchen im Königreich den Glasschuh anprobieren soll. Diejenige, dem der Schuh passt, wird den Prinzen heiraten. Die Stiefmutter ahnt, dass der Schuh Cinderella gehört und sperrt sie in ihre Kammer. Die zwei Mäuse beschaffen sich den Schlüssel und befreien das Mädchen. Als sie den Schuh anprobieren möchte, stellt die Stiefmutter dem Diener ein Bein und der Schuh zerspringt in Scherben. Cinderella jedoch besitzt den zweiten Schuh, der ihr passt. So heiratet sie den Prinzen.

Mit welchen medialen Inszenierungstechniken erzählt das Märchen?

Bei der Beleuchtung und den Farben wird deutlich, dass diese stark mit der Stimmung und den Figuren korrelieren. So ist das Zimmer von Cinderella, obwohl es sich in einem einsamen Dachboden befindet, stets hell und strahlt eine gewisse Wärme aus. Cinderella ist umgeben von lieblichen Tieren und die Sonne scheint zum Fenster hinein. Das Schlafzimmer der bösen Stiefmutter wiederum ist düster und erzeugt eine unheimliche, fast schon bedrohliche Atmosphäre.

Auch die optischen Merkmale der Charaktere kategorisieren sie in „Gut“ und „Böse“. So hat Cinderella ein engelsgleiches Gesicht, ihre großen blauen Augen, ihr blondes glattes Haar und ihre rosa Wangen lassen sie unschuldig und herzlich wirken. Die Stiefmutter jedoch hat eine spitze Nase, kühle grüne Augen und eine strenge Frisur. Diese lassen sie dämonisch und böse aussehen.

Die Musik und Soundeffekte beeinflussen ebenfalls die Stimmung der Szenen und erzeugen Spannungsbögen. Des Weiteren untermalen sie die Bewegungen der Figuren und verstärken dargestellte Gefühle. Besonders die Lieder schaffen es, Emotionen bei dem Zuschauer/der Zuschauerin hervorzurufen. Diese sind sprachlich oftmals einfach gehalten, um Einblicke in die Gefühlswelt der Charaktere zu gewähren. Ein Beispiel hierfür ist das erste Lied „Im Traum gesehen“, das Cinderella nach ihrem Erwachen aus einem Traum singt, in dem sie dem Prinzen begegnet ist. Sie beschreibt darin ihren Wunsch, dem Prinzen eines Tages zu begegnen und dass sie deshalb die Hoffnung auf eine schöne Zukunft trotz schwerer Lebensumstände niemals aufgeben darf.

Bei den Einstellungsgrößen und Kameraperspektiven wird versucht, eine kindgerechte Haltung einzunehmen. So werden die Szenen oftmals in der „Halbtotalen“ (Kamp & Rüsel, 1998, S. 2) Einstellungsgröße gezeigt, um Cinderellas Umgebung zu zeigen. Somit wissen die Zuschauer*innen in welchem Umfeld sich die Figur zu dem Zeitpunkt befindet und welche Handlungen sie erwartet. Um genaue Emotionen wiederzugeben und die wichtigsten Details einer Szene in den Vordergrund zu setzen, wird eine nahe Einstellung genutzt. Dies wird beispielsweise in der Szene sichtbar, in der die Maus „Karli“ verängstigt in einem Käfig gezeigt wird. Cinderellas lächelndes Gesicht wird in einer Nahaufnahme gefilmt, um ihr vertrauenswürdiges Wesen zu illustrieren.

 


Wie wird die Geschichte verändert?

Bereits am Anfang des Zeichentrickfilmes werden Abweichungen zum Prätext der Brüder Grimm (1850) sichtbar.

So wird Cinderella als Waise dargestellt, die in einem isolierten Schlossturm lebt. In der Märchenerzählung ist der Vater von Aschenputtel jedoch noch am Leben und sie muss auf dem Boden in der Küchenstube wie eine Dienstmagd schlafen. Außerdem wird der Tod ihrer Mutter im Märchen zu Beginn thematisiert und in dem Zeichentrickfilm völlig weggelassen. Lediglich das Kleid der Mutter, das von den Tierfreunden für den Ball umgenäht wird, erinnert an ihren frühen Tod.

Es fällt ebenfalls auf, dass die Figuren im Märchen keine Namen besitzen. Ausschließlich der Name von Aschenputtel ist dem Leser/der Leserin bekannt. Im Zeichentrickfilm jedoch werden die Namen der beiden bösen Stiefschwestern „Anastasia und Drizella“, der Mäuse „Karli und Jacques“ sowie der gefährlichen Katze „Luzifer“ genannt.

Zwar steht auch im Film Cinderellas harte körperliche Arbeit im Vordergrund. Sie muss sich von morgens bis abends um den Haushalt kümmern: Treppen und Fenster putzen, den Boden wischen, Wäsche waschen und kochen. Ein essenzieller Punkt wird jedoch weggelassen. In der Erzählung der Brüder Grimm werfen die Stiefmutter und deren Töchter böswillig Linsen und Erbsen in die Asche, die von Aschenputtel ausgelesen werden müssen, damit ihr erlaubt wird, mit auf den Ball zu gehen.

Eine weitere wichtige Veränderung ist die Szene, in der die gute alte Fee erscheint. Im Film zaubert sie Cinderella ein Kleid und eine Kutsche aus einem Kürbis herbei, in der sie zum Ball gefahren wird. Im Märchen der Brüder Grimm allerdings geschieht diese Verwandlung nicht durch Magie. Aschenputtel geht weinend an das Grab ihrer Mutter und stellt sich unter einen Haselbaum. Dort erscheint ein Vogel und wirft ihr ein Kleid und seidene Pantoffeln herunter.

Insgesamt fällt auf, dass grausame und brutale Beschreibungen weggelassen wurden, um den Film kindgerecht zu gestalten. Als die Stiefschwestern nicht in den Schuh passen, rät die Mutter ihrer ersten Tochter, sich den Zeh und der zweiten Tochter ein Stück ihrer Ferse abzuschneiden. Im Film zwängen die Schwestern lediglich ihren Fuß in den gläsernen Schuh.

 


Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?

Der Film „Cinderella“ beginnt mit einem aufgeschlagenen Buch und den Worten „Es war einmal vor langer, langer Zeit“ (Disney, Geronimi, Luske, Jackson, 1950, 1:35-1:40). Ein Off-Erzähler liest aus einem schön verzierten Buch vor und blättert farbenfrohe Seiten um, bis in ein stehendes Bild eingetaucht wird. Insofern ist es gut erkennbar, dass der Film auf einem anderen Text, um genauer zu sein, auf dem Märchen „Aschenputtel“ der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm basiert.

Ein weiterer eindeutiger Hinweis darauf ist der Name des jungen Mädchens. Im Ursprungstext bekommt sie von der bösen Stiefmutter und den beiden Schwestern den Namen Aschenputtel, da sie in der Asche neben dem Herd auf dem Boden schlafen muss und ihre Kleidung dadurch stets dreckig ist. Die englische Version „Cinderella“ stammt von dem Wort „cinders“ ab, was ins Deutsche übersetzt Asche bedeutet.

Die Verbindung zum Prätext wird ebenfalls durch die direkte Übernahme von Figuren ersichtlich. Die Stiefmutter und Schwestern werden in der Filmadaption identisch bösartig wiedergegeben. Auch die Tiere zeigen sich als wahre Helfer in Cinderellas Not.

Ebenfalls sind die Handlungen in den beiden Geschichten sehr ähnlich. Das arme Mädchen muss harte körperliche Arbeit im Haus leisten, sie wird zudem von den Familienmitgliedern ausgegrenzt und unmenschlich behandelt.

Die Einladung zum Ball stellt jedoch eine positive Wendung in ihrem Leben dar. Dieser erstreckt sich in dem Prätext über drei Tage, wobei er im Zeichentrick nur an einem Abend stattfindet. Auch ihren Schuh verliert Cinderella in beiden Ausführungen während ihrer Flucht. Die Schlusspassagen ähneln einander in beiden Versionen: Der Prinz findet Cinderella durch den passenden Schuh wieder und sie heiraten auf dem Schloss. Der Zeichentrickfilm von Walt Disney endet damit, dass das Buch geschlossen wird und der Erzähler folgenden Satz ausspricht: „Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“. Sowohl der Anfangs- als auch der Schlusssatz sind typische Merkmale aus den Märchen der Brüder Grimm.


Quellen