Frau Holle

DDR/CSSR. 1985. 

Worum geht es?

Als auf einer Landschaft voller Schnee eine Lawine ausbricht, ist der kleine Jakob in der Menschenmenge zu sehen. Während Frau Hippe, die den Tod symbolisiert, mehrere Menschen in ihr Lebensende treibt, kann Jakob dem Tod entfliehen. Frau Holle rettet ihn, indem sie ihn bei sich aufnimmt. Bei ihr erwartet ihn eine Welt außerhalb der Erde. Hier bleibt Jakob ein kleiner Junge und altert nicht. Bei Frau Holle vertreibt sich Jakob die Zeit mit dem Kontrollieren des Wetters und dem Beobachten der Menschen auf der Erde. Dabei fällt ihm Elisabeth besonders ins Auge. Als Elisabeths Mutter verstirbt, heiratet ihr Vater erneut, sodass sie nun eine Stiefmutter und Stiefschwester Dora hat, die sie schlecht behandeln. Sie muss die härteste Arbeit erledigen. Jakob beschließt, die Welt von Frau Holle zu verlassen, um das Leben auf der Erde als Mann zu führen und Elisabeth helfen zu können.  

Als er anfängt bei Elisabeths Familie als Knecht zu arbeiten, haben die Stiefmutter und Dora das Ziel, ihn mit Dora zu vermählen. Dieser hat allerdings nur Augen für seine Elisabeth. Eines Tages bestäuben die Stiefmutter und Dora die Kekse, die Elisabeth gebacken hat, mit Schlafpulver. Nachdem Jakob und Elisabeth diese Kekse essen, schlafen sie ein. Die Stiefmutter und Dora werfen Elisabeth in den Brunnen und wickeln ihr Kleid um Jakobs Körper. Als dieser aufwacht, ist Elisabeth verschwunden und ihr Vater, ein Richter, verurteilt ihn zum Tode. Er kann dieses Urteil nur umgehen, wenn er eine Jungfrau heiratet. Demnach stellt sich Dora hierfür zur Verfügung. Jakob flieht vor der Hochzeit, woraufhin er Frau Hippe begegnet, die ihn glauben lässt, dass Elisabeth verstorben sei. Anschließend besitzt Jakob nur noch den Wunsch, selbst zu sterben und stellt sich seiner Hinrichtung. Als er schon den Strick um den Hals hat, sieht er plötzlich Elisabeth mit dem Bettlaken von Frau Holle in einem Korb hinunterfliegen. Nun ist Jakob wieder frei und Elisabeth und er können heiraten. Auf der Hochzeit versuchen die Stiefmutter und Dora die Gemeindekasse zu stehlen, indem sie mit Hilfe des Bettlakens versuchen wegzufliegen. Allerdings fallen sie anschließend in den Fluss. Im Fluss sind die Stiefmutter und Dora bedeckt mit schwarzem Pech. Sie sind mit ihrem ewigen Pech umhüllt worden, wie Frau Hippe lachend zum Ende des Filmes ihr Schicksal deutlich macht.


Mit welchen medialen Inszenierungstechniken erzählt das Märchen?

 

In dem Film wird sehr viel mit Musik gearbeitet, um den Zuschauern die Atmosphäre veranschaulichen zu können. Dabei wird vor allem die Melodie der Flöte, die Elisabeth schon als kleines Mädchen spielt, in den Vordergrund gestellt. Die Melodie kommt somit häufig im Verlauf des Filmes vor. Außerdem wird durch das Spielen des Klaviers von Frau Holle das Wetter auf der Erde kontrolliert, indem durch den Klang der Musik Wind produziert wird. In angespannten Situationen, wie z.B. der Hinrichtung Jakobs, ertönt eine Trommel im passenden Takt. Außerdem wird auch der Ton genutzt, um die trübe Atmosphäre in der Höhle von Frau Holle wiederzugeben, der bei den Worten Jakobs schallt. Das gemeinsame Tanzen in glücklichen Momenten zeigt die Leidenschaft und die Gemeinschaft der Figuren (DDR/CSSR, 1985). 

In der Welt von Frau Holle sind auch immer wieder Schneeflocken in der Luft zu sehen, die den Charakter ihrer Figur ausmachen. So kommt es auch dazu, dass sogar bei der Hochzeit von Jakob und Elisabeth, die im Sommer stattfindet, erneut Schneeflocken im Wind zu sehen sind. Dieser Schnee entsteht aus Blüten, der ihre Anwesenheit auf der Hochzeit repräsentiert. Durch das Klimpern und das Leuchten der Lichter in der Welt von Frau Holle entsteht eine gemütliche, angenehme Atmosphäre. 

Außerdem wird die Ungerechtigkeit der Erde durch die Emotionen der Hauptfiguren dargestellt. Durch die Trauer, die Tränen und der Verlust entwickelt der Zuschauer Empathie mit dem Schicksal der Figuren. Hierbei wird in wichtigen Szenen ein häufiger Perspektivwechsel der Kamera durchgeführt. 

Die Charaktere der Figuren werden durch äußerliche Aspekte unterstrichen. Besonders im Gedächtnis des Zuschauers bleiben die Zähne der Frau Hippe, die einem schwarz und dunkel ins Auge stechen. Die Farbe schwarz steht für den Tod, wie Frau Hippe für eine weibliche Figur des Sensemannes steht. Die Vergänglichkeit des Lebens wird veranschaulicht, indem sie ihr Äußeres von einer alten, schwachen Dame zu einer schönen, jungen Frau ändern kann.   Im Gegensatz dazu wirkt Frau Holle durch ihr weiches Lächeln, ihr einfühlsames Verhalten und ihr Einschreiten in Gefahrsituationen wie die heilige Retterin in Not. 


Wie wird die Geschichte verändert?

Ein Unterschied zum Prätext ist, dass die Figuren Jakob und Frau Hippe hinzugefügt wurden, die entscheidend für die Handlung sind. Diese stärken die Spannung der Handlung im Film. Außerdem werden im Prätext keine Namen genannt, sodass die Namen der Figuren hinzugefügt wurden. Während im Film Elisabeth im Brunnen landet, weil die Stiefmutter und Dora sie reingeworfen haben, fällt sie im Text in den Brunnen, weil sie versucht, die Spule zu finden, die sie fallen gelassen hat (Brüder Grimm, 1812). 

Im Prätext besitzt Frau Holle große Zähne und ihr Aussehen erscheint beängstigend, während im Film ihre Optik zu ihrem warmen Charakter passt. Im Film wird stattdessen Frau Hippe mit schwarzen Zähnen und beängstigendem Aussehen gezeigt (DDR/CSSR, 1985). Es scheint so, als sei die Figur von Frau Holle in lieb und böse eingeteilt worden, wobei Frau Hippe die böse Seite repräsentiert. Außerdem wird sie im Text für ihre harte Arbeit bei Frau Holle mit Gold belohnt, während sie im Film mit der Liebe ihres Lebens gesegnet wird. 

Im Text werden außerdem von der Stiefmutter und der Stiefschwester Reichtum angestrebt, indem sie selbst aktiv in den Brunnen gehen, um den gleichen Erfolg wie das fleißige Mädchen zu erlangen. Im Film versuchen sie den Reichtum durch Diebstahl zu erlangen. In beiden Medien wird gesichert, dass sie ihre gerechte Strafe für ihr falsches Verhalten bekommen, indem sie mit dem ewigen Pech verflucht werden. Der Unterschied dabei ist jedoch, dass im Prätext Frau Holle für die Gerechtigkeit der beiden sorgt, während es im Film so scheint, als sei Frau Hippe für das ewige Pech verantwortlich. Allerdings wird erwähnt, dass die Flugrichtung, in die die beiden geflogen sind, von Frau Holle bestimmt wird. 

Ein weiterer Charakter, der im Film neu erscheint, ist der Prinzipal, der die Zukunft von Elisabeth und Jakob vorhersagt und Jakob in einigen Problemsituationen zur Seite steht. Das Schicksal Jakobs, das damit beginnt, dass er ins Gefängnis muss und fast hingerichtet wird, ist ebenfalls eine neue Darstellung des Märchens im Vergleich zum Prätext. Während im Prätext ein Erzähler die Geschichte erzählt, wird sie im Film aktiv durch Handlungen wiedergegeben. Die Verbindung zur Weihnachtszeit und dem Schnee ist ebenfalls ein Teil von der neuen Ausführung, die im Prätext nicht zu finden ist. 

Während die Welt von Frau Holle im Film von Wind und Schnee umgeben ist, erfüllt sie im Text das frische Brot im Backofen, der Apfelbaum und frisch gekochtes Essen. Diese Motive werden im Film ausgelassen. Zu vermuten ist, dass diese Motive ausgelassen wurden, da die winterliche Atmosphäre im Film angestrebt wurde. Außerdem wird der Grund von der Abreise des Mädchens aus Frau Holles Welt in unterschiedlicher Weise dargestellt.  Während im Text das Mädchen aus Heimweh gehen möchte, verlässt Elisabeth Frau Holle, um Jakob zu retten. 

Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?

 

Durch den Namen von Frau Holle ist deutlich, dass die Handlung auf das Märchen der Brüder Grimm zurückführt. Auch die Figuren der bösen Stiefmutter und Stiefschwester, die in das Leben eines unschuldigen Mädchens treten, als die Mutter stirbt, deuten auf die typische Konstellation hin, die z.B. auch in dem Märchenfilm "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" zu erkennen ist (CSSR/DDR, 1973). In beiden Versionen von "Frau Holle" wird das liebe Mädchen aufgefordert, die harte Arbeit zu machen, um ihren einzigen Vater glücklich zu machen. Dabei ist es üblich, dass der Vater nichts von den bösen Absichten seiner Ehefrau und Stieftochter mitbekommt, während seine Tochter unter diesen leiden muss. 

Das Motiv des Brunnens, in dem das liebe Mädchen verloren geht, ist sowohl im Text als auch im Film gegeben. In diesem Brunnen findet Jakob im Film ebenfalls das Gold, das das liebe Mädchen im Text von Frau Holle als Zeichen ihrer Anerkennung der harten Arbeit geschenkt bekommt. 

Die Rettung in der Not, die Frau Holle übernimmt, wird in beiden Medien deutlich dargestellt. Das Ende, das das Schicksal und die Bestrafung mit dem ewigen Pech darstellt, wurde ebenfalls übernommen, indem sie schwarz eingefärbt sind (siehe Bild). Die Ausführung von Frau Hippe, welche die schwarzen, dunklen Zähne besitzt, führt ebenfalls auf den Text zurück. Da Frau Holle im Text große Zähne besitzt, die Angstzustände auslösen, wird darauf hingewiesen. Auch die Aussage, dass sie sich nicht vor ihrem Anblick fürchten solle, findet man ebenfalls im Text wieder. 

Der Aspekt der Belohnung lässt sich sowohl im Film als auch im Text finden. Frau Holle belohnt z.B. Elisabeth für ihr Verhalten im Film damit, dass sie Jakob ein Zeichen schicken und am Ende sogar retten darf. Im Text belohnt Frau Holle sie für ihr Verhalten, indem sie sie mit Gold beschenkt. 

In beiden Versionen wird die Gerechtigkeit angestrebt, die am Ende siegt. Das friedliche Ende für die Figuren, für die man schon Empathie empfindet, ist dabei gesichert. Die Gegenüberstellung von Gut und Böse führt schließlich zu einem Ergebnis, das dem Zuschauer bzw. Leser zufriedenstellend und gerecht erscheint.


Frau Holle. DDR/CSSR. 1985. ZDF. 1:25:34. 

Quellen