Dornröschen

USA, 1959

Worum geht es?

Zur Geburt ihrer Tochter Aurora veranstalten König Stefan und seine Frau ein großes Fest, zu dem sie auch die drei Feen des Reichs des Guten einladen, welche die Prinzessin mit guten Wünschen beschenken. Bevor die dritte Fee Sonnenschein jedoch ihren Wunsch äußern kann, erscheint die uneingeladene, böse Fee Malefiz auf dem Fest. Aus Rache darüber, dass sie nicht eingeladen wurde, verflucht sie die Prinzessin dazu, sich noch vor Ende ihres 16. Geburtstages an einer Spindel zu stechen und daraufhin zu sterben. Sonnenschein, die ihren Wunsch noch übrighat, schwächt den Zauber ab, sodass Aurora nicht stirbt, sondern in einen tiefen Schlaf fällt, aus dem sie nur durch wahre Liebe geweckt werden kann. Um sie vor Malefiz zu beschützen, wächst Aurora unter dem Namen Röschen bei den drei Feen als Bauerstochter auf. An ihrem 16. Geburtstag soll sie als Prinzessin Aurora in das Schloss zurückkehren, wird jedoch von Malefiz entdeckt und dazu verleitet, sich an einer Spindel zu stechen. Um dem Königreich die Trauer zu ersparen, lassen die Feen dieses ebenfalls in tiefen Schlaf fallen, bis Röschen erwacht. Prinz Phillip, der von Malefiz gefangen genommen wird, schafft es sich zu befreien und bekämpft und tötet Malefiz. Schließlich reitet er zu Prinzessin Aurora, die er bereits als Röschen kennengelernt hat und weckt sie, sowie das ganze Königreich, mit seinem Kuss und heiratet sie.  

Mit welchen medialen Inszenierungstechniken erzählt das Märchen?

Bei der Analyse medialer Inszenierungstechniken beziehe ich mich auf Kamp und Rüsel (Kamp & Rüsel, 1998). Der Film Dornröschen beginnt mit der Feier zu Dornröschens Geburt. Die Szenen von den Ereignissen an diesem Tag werden in chronologischer Reihenfolge gezeigt. Auch der Tag, an welchem Dornröschen 16 Jahre alt wird, in den tiefen Schlaf fällt und durch den Kuss geweckt wird, wird chronologisch dargestellt. Zwischen diesen beiden Tagen findet jedoch ein großer Zeitsprung von 16 Jahren statt. Dadurch werden nur die Vorgeschichte und der Tag, an welchem der Höhepunkt der Geschichte stattfindet, im Film gezeigt.

Zu den Kameraperspektiven, die im Film verwendet werden, lässt sich sagen, dass viel mit Zooms gearbeitet wird, zum Beispiel um das Eintauchen in das Märchenbuch darzustellen oder um von einer Panoramaperspektive in die Halbtotale zu wechseln oder andersherum. Die Einstellungsgrößen sind sehr wechselhaft, während als Perspektiven zumeist die Normalperspektive und ab und zu die Aufsicht gewählt wurden. Besonders bei der Flucht- und Kampfszene zwischen Prinz Phillip und Malefiz wird mit den verschiedenen Kameraperspektiven gespielt. So wird Malefiz in der Untersicht und der Prinz in der Aufsicht gezeigt, wodurch Malefiz überlegen und Phillip in größerer Gefahr wirkt.

Zur Farbgestaltung lässt sich festhalten, dass der Film insgesamt sehr bunt ist und fröhliche Szenen besonders farbenfroh und hell gestaltet sind. Auffällig ist dabei auch, dass in den Szenen, in denen das Volk vorkommt, dieses im Vergleich zu anderen Szenen, in denen wenige Personen vorkommen, sehr undetailliert dargestellt ist. Szenen mit Malefiz bedienen sich dunkleren und gedämpften Farben. Im Zusammenhang mit ihrer Figur treten vor allem die Farben Schwarz, Lila, Grellgrün und Grellgelb auf. Ihre bösen Zauber werden als grüne Blitze dargestellt, oft begleitet von Donnergeräuschen, während die guten Zauber der Feen als glitzernde Sterne, begleitet von einem hohen Ton, dargestellt werden. Die Farbgestaltung spielt zudem in der Szene eine große Rolle, in der das Königreich von den Feen in einen tiefen Schlaf versetzt wird. Alle Personen und Gegenstände, die vom Zauber berührt werden, verlieren ihre kräftigen Farben und werden stattdessen grau-grünlich eingefärbt. Die Farben kehren schließlich zurück, als das Königreich erwacht. Dadurch wirkt es, als würde ihm wieder Leben und Fröhlichkeit eingehaucht.

In Szenen, welche das Volk abbilden, singt zumeist ein Chor im Hintergrund, was zu den großen Menschenmengen passt. Musik begleitet jedoch nicht nur diese Szenen, sondern fast den gesamten Film. Auffällig ist besonders das wiederkehrende Lied, welches der Prinz und Dornröschen singen. Dabei geht es darum, dass sie sich bereits im Traum einmal getroffen haben und es ihnen daher vorkommt, als würden sie sich schon ewig kennen. Damit wird auf die Szenen zu Beginn des Films angespielt, in welchen sich Aurora und Phillip bereits auf dem großen Fest kennenlernen.

Wie wird die Geschichte verändert?

Bereits zu Beginn des Filmes, als das große Fest zur Geburt der Prinzessin steigt, werden einige Unterschiede zum Märchen der Brüder Grimm deutlich: Dornröschen trägt den Namen Aurora und auch ihr Vater hat einen Namen und wird König Stefan genannt. Außerdem spielen gleich zu Beginn des Festes ein weiterer König, König Hubert, sowie sein Sohn Prinz Phillip eine Rolle. König Hubert und König Stefan sind Freunde und versprechen deshalb ihre Kinder Prinz Phillip und Prinzessin Aurora einander. Daneben gibt es noch weitere große Unterschiede zwischen den beiden Märchenversionen. Statt 12 weisen Frauen und der einen, die sich dafür rächt, nicht eingeladen worden zu sein, existieren in der Disneyverfilmung nur drei Feen des Reichs des Guten und eine böse Fee. Im Gegensatz zum Prätext werden diese auch namentlich genannt. Die guten Feen heißen Flora, Fauna und Sonnenschein, die böse Fee heißt Malefiz. Während die weisen Frauen aus dem Märchen der Grimms Dornröschen mit Tugend, Schönheit, Reichtum und vielem mehr beschenkten, schenkt ihr Flora Schönheit und Fauna eine wunderschöne Singstimme. Malefiz, die die Zeremonie wie im Original unterbricht, rächt sich mit einem bösen Zauber dafür, dass sie nicht eingeladen wurde. Jedoch scheint es im Film so, als wäre sie ganz bewusst nicht eingeladen worden, während in Grimms Märchen als Grund aufgeführt wird, dass es nicht genug goldenes Besteck für 13 Gäste gab. Der böse Zauberspruch selbst unterscheidet sich darin, dass Dornröschen sich im Prätext explizit während ihres fünfzehnten Lebensjahrs an der Spindel stechen soll, was im Film bis zu ihrem 16. Geburtstag geschehen soll. Der Fluch wird in beiden Versionen von der Fee Sonnenschein, die noch einen Wunsch frei hat, abgeschwächt. Ab dieser Szene unterscheiden sich beide Versionen dann jedoch stark:

Dornröschen aus dem Prätext wächst bis zu ihrem 15. Geburtstag unbeschadet im Schloss auf und die Geschichte setzt erst wieder zu diesem Tag ein, an welchem sie sich auch an der Spindel sticht.  Im Film jedoch beginnt hier eine völlig neue Handlung, die im Prätext überhaupt nicht vorkommt.

So entscheiden sich die Feen im Film dazu, die Prinzessin weit abgelegen vom Schloss aufzuziehen, um sie vor Malefiz zu schützen und geben deshalb auch für 16 Jahre das Zaubern auf. Die Prinzessin, die im Film eigentlich den Namen Aurora trägt, wird von den Feen, welche sich als Bauernfrauen tarnen, als Findelkind namens Röschen ausgegeben. An ihrem 16. Geburtstag trifft Röschen Prinz Phillip im Wald, ohne zu wissen, dass er ein Prinz und sie selbst eine Prinzessin ist. Auch Prinz Phillip weiß nicht, dass Röschen Aurora ist, welcher er schon zu ihrer Geburt versprochen wurde. Sie verlieben sich ineinander und verabreden sich für den Abend desselben Tages. Währenddessen wütet Malefiz auf ihrem verbotenen Berg, weil ihre Dienerschaft, eine Horde aus anthropomorphisierten und unintelligenten Tieren, es 16 Jahre lang nicht geschafft hat, Aurora aufzuspüren. In letzter Hoffnung schickt sie ihren geschätzten Raben, um Aurora doch noch vor Sonnenuntergang zu finden. Weder die Dienerschaft noch der Rabe existieren im Prätext. Der Rabe wird fündig, da die Feen zum ersten Mal in 16 Jahren zaubern, um Röschens Geschenke vorzubereiten und ihn damit auf sich aufmerksam machen. Kurz darauf kehrt Röschen aus dem Wald zurück und erfährt von den Feen, dass sie Prinzessin Aurora ist und bereits einem Prinzen versprochen wurde. Nicht wissend, dass es sich dabei um den Jungen aus dem Wald handelt, ist sie sehr traurig, als sie mit den Feen zum Schloss aufbricht. Im Schloss wartet Malefiz bereits auf sie. Als Aurora für einen Moment allein ist, taucht Malefiz im Kamin auf und beschwört ein grünes Licht. Dieses hat eine hypnotisierende Wirkung auf Aurora, sodass sie dem Licht wie in Trance durch eine Art Portal bis in einen Turm folgt. Aus dem grünen Licht taucht plötzlich eine Spindel auf und eine Stimme befiehlt Röschen, nach ihr zu greifen (vgl. Abb. 1). Sie sticht sich an der Spindel und fällt sofort in einen tiefen Schlaf. Als die Feen sie finden, beschließen sie, das ganze Königreich ebenfalls in einen Schlaf zu versetzen, um den Menschen die Trauer um Dornröschen zu ersparen.

Abb. 1: Dornröschen. USA. 1959.

Abb. 2: Dornröschen. USA. 1959.

Im Märchen der Grimms setzt die Geschichte erst zum 15. Geburtstag von Dornröschen wieder ein. In dieser Version läuft sie selbst in einen Turm, in welchem eine alte Frau mit einer Spindel sitzt, an der sie sich schließlich sticht. Mit ihr fällt daraufhin das gesamte Königreich sofort in tiefen Schlaf. Während Grimms Dornröschen 100 Jahre lang schläft, bis sie von einem ihr unbekannten Prinzen geweckt wird, geht die Geschichte in Disneys Dornröschen sofort weiter.

Malefiz wartet in der Waldhütte auf die Feen, um sie zu fangen, stattdessen fängt sie jedoch Phillip, welcher zu seiner Verabredung mit Röschen wollte. Malefiz erklärt ihm, dass Röschen und Aurora dieselbe Person sind und will ihn 100 Jahre auf dem verbotenen Berg einsperren, sodass er sie nicht wecken kann. Daraufhin fliegen die Feen zum verbotenen Berg, um Phillip zu retten, werden jedoch auf der Flucht vom Raben erwischt. Malefiz zaubert, um den Prinzen aufzuhalten, viele Hindernisse und verwandelt sich dann in einen Drachen, um Phillip zu bekämpfen. Mit dem Schwert der Wahrheit gelingt es Phillip, Malefiz in ihrer Drachengestalt zu töten (vgl. Abb. 2). Danach rennt er ins Schloss, küsst Dornröschen und weckt sie somit auf. 

Die Sprache der beiden Märchenversionen ist größtenteils sehr ähnlich. Jedoch fällt auf, dass in der Disneyversion viele der Zaubersprüche, die die Feen äußern, in Reimen gesprochen werden. Dies ist in der Version der Gebrüder Grimm nicht der Fall.

Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?

Der Film beginnt mit dem Aufschlagen eines Buchs, das den Titel „Sleeping Beauty“ trägt, was dem englischen Titel für das Märchen Dornröschen entspricht. Ein Erzähler beginnt aus dem Buch vorzulesen und die Seiten umzublättern, bis an ein Bild herangezoomt wird, sodass es aussieht, als würde man in das Buch eintauchen. Hierdurch wird zum einen deutlich gemacht, dass der Film sich auf eine literarische Vorlage bezieht und zum anderen der Rezipient gleichzeitig in die Geschichte von Dornröschen eingeführt (vgl. Rouget, 2021). Ab dann beginnen sich auch die Figuren zu bewegen und die eigentliche Geschichte beginnt. Dass der Film sich auf das Märchen der Grimms bezieht, wird weiterhin durch den Erzähler klar, denn er erläutert die Hintergründe der Geschichte, die sehr ähnlich zu denen des Märchens der Grimms sind. Der deutliche Bezug zum Prätext wird auch durch die Darstellung des Buchs auf der Bildebene deutlich. Ein weiterer Hinweis darauf ist der Name der Prinzessin. Im Prätext wird sie Dornröschen genannt, im Film Röschen. Auch die Rahmenhandlung ist in beiden Versionen sehr ähnlich. Beide Geschichten beginnen mit einem Fest, welches dadurch getrübt wird, dass eine Fee, die nicht eingeladen wurde, die Prinzessin mit einem Zauberspruch zum Tode verurteilt. In beiden Versionen wendet eine gute Fee den Zauberspruch so gut ab, wie es ihr möglich ist und Dornröschen fällt in einen tiefen Schlaf, auch wenn die Versionen in der Zwischenzeit voneinander abweichen. Im Prätext schläft Dornröschen für 100 Jahre, bis sie geweckt wird. Im Film werden diese 100 Jahre dadurch aufgegriffen, dass Malefiz den Prinzen für 100 Jahre gefangen nehmen möchte, um zu verhindern, dass er Röschen vorher wecken kann. Auch die Dornenranken, die im Prätext 100 Jahre lang um das Schloss herum wachsen, tauchen im Film in abgewandelter Form auf. Malefiz zaubert Prinz Phillip Dornen in den Weg, um ihn auf seiner Flucht aufzuhalten. Auch das Ende beider Versionen ähnelt sich stark. Der Prinz schafft es bis in das Schloss, küsst Dornröschen und weckt damit sie sowie das gesamte Königreich aus dem tiefen Schlaf (vgl. Abb. 3). In beiden Versionen wird im Anschluss die Hochzeit gefeiert. Der Film endet damit, dass sich das Buch, aus dem der Erzähler vorgelesen hat, sich schließt, wodurch wieder der Bezug zum Märchen der Grimms hergestellt wird

Abb.  3: Dornröschen. USA. 1959.

Quellen

Bildquellen