Sieben Zwerge - Männer allein im Wald

von Douglas Welbat, Bernd Eilert, Andreas Grosch et al.

Worum geht es?

Sieben Zwerge wohnen allein und abgeschottet in einem Wald. Sie sind recht zufrieden in ihrem kleinen Häuschen und unter sich Männern, denn sie haben alle in ihrer Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht. Eines Tages jedoch entdecken die sieben Zwerge ein Mädchen in ihrem Haus, das friedlich in einem der Bettchen schläft. Es ist Schneewittchen (Cosima Shiva Hagen). Sie ist aus dem Waisenhaus geflohen, in welches sie von dem Handlanger (Hans Werner Olm) der bösen Königin geschickt wurde. Die Königin (Nina Hagen) kann es nicht ertragen, dass ihr sprechender Spiegel ihr immer wieder rückmeldet, dass Schneewittchen noch ein bisschen schöner sei als sie. Deshalb schickt sie den Jäger (Christian Tramitz) los, damit dieser Schneewittchen tötet. Dieser gibt aber nur an, sein Hund hätte sie in viele Stücke zerfetzt, Schneewittchen lebt jedoch noch. Sie freundet sich mit den Zwergen an und gemeinsam finden sie eine Lösung, dass Schneewittchen bei ihnen wohnen bleiben kann, trotz des Grolls, den die Zwerge auf Frauen pflegen. An ihrem 18. Geburtstag wird Schneewittchen von der Königin und ihrem Handlanger entführt. Die Zwerge bemerken dies und machen sich auf den Weg zum Schloss, um Schneewittchen zu retten. Die Rettung gelingt und einer der Zwerge bekennt sich als Schneewittchens Vater. Sie leben nun glücklich im Schloss zusammen und Schneewittchen hat noch ihren Märchenprinzen gefunden, welcher ein Mitarbeiter des Schlosses ist. Die übrigen Zwerge kehren zurück in ihre Waldhütte und führen ihr Leben weiter.

Mit welchen medialen Inszenierungstechniken erzählt das Märchen?

Der Film beginnt damit, dass ein heterodiegetischer Erzähler (Keutzer et al., 2014) die Landesstruktur des Königreiches vorstellt. Dabei redet er mit geheimnisvoller, tiefer Stimme. Er stellt die Grenze zwischen Gut und Böse dar und beschreibt damit Hintergrundinformationen, die im Laufe der Geschichte relevant zu sein scheinen. Die Erzählweise täuscht der zuschauenden Person eine Ernsthaftigkeit vor und wird durch anschließende parodistische Szenen entkräftet. Der heterodiegetische Erzähler stellt eine außenstehende Person dar, die nicht protagonistisch in die Handlung integriert ist (Keutzer et al., 2014). Die folgenden Informationen werden nicht mehr über den Erzähler übermittelt. Es findet eine uneingeschränkte Informationsvergabe statt, die durch die Protagonist*innen geschieht (Keutzer et al. 2014). Dies ist typisch für Märchen, da die Geschichte auch in verschriftlichten Märchen häufig durch ein*e Erzähler*in eingeleitet wird.

Die Märcheninszenierung gewinnt besonders durch Farbsymbolik an Atmosphäre. Das Häuschen und der Wald der sieben Zwerge sind durch helle Aufnahmen freundlich und lieblich gestaltet. Die Farben stellen ein „Heile-Welt“-Gefühl her. Im Kontrast dazu wird das Schloss der bösen Königin dunkel, modern und kalt dargestellt. Schneewittchens Schönheit und Unschuld wird durch die Situation im Waisenhaus bereits inszeniert. Da sie mit einem Puppenhaus spielt und Elemente ihres Zimmers in „typischen Mädchenfarben“ (pink, lila) präsentiert werden, bildet sich die zuschauende Person das Bild eines jungen, schönen unschuldigen Mädchens. Ihr erstes Erscheinen vor den Zwergen vor deren Häuschen wird in Zeitlupe dargestellt, was wie eine typische Inszenierungstechnik wirkt, um einen Moment bedeutend wirken zu lassen. Auch hier wird ein besonderer Fokus auf Schneewittchens Schönheit gesetzt.

Es ist fragwürdig festzustellen, ob sich die Märchenverfilmung an Kinder adressiert. Durch sarkastischen und zweideutigen Humor sind viele Elemente des Films nicht greifbar für Kinder. Der Film adressiert dementsprechend eher Erwachsene oder heranwachsende Menschen. Außerdem soll er keine authentische Verfilmung des Grimm Märchens darstellen, sondern zu Unterhaltungszwecken, mit vielen abweichenden Handlungsmomenten zum Prätext, dienen.

Wie wird die Geschichte verändert?

Dieser Abschnitt beschäftigt sich damit, welche Abweichungen zum Originalmärchen bestehen und beleuchtet Stellen des Films, die deutliche Veränderungen darstellen.

Der Film: „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“, der von dem Märchen „Schneewittchen“ der Brüder Grimm inspiriert ist, enthält einige Abweichungen zum Prätext. Das Märchen beginnt mit dem Wunsch einer Königin, die sich ein Kind mit Haut so weiß wie Blut, Haar so schwarz wie Ebenholz und Lippen so rot wie Blut wünscht. Dieses wird auch geboren, jedoch stirbt die Königin bei der Geburt ihrer Tochter Schneewittchen. Der König, ihr Vater, sucht sich eine neue Frau, die eifersüchtig ist auf ihre Stieftochter. Der Film jedoch beginnt mit der Lebenssituation der Zwerge, die Königin ist unverheiratet, hat aber einen Handlanger namens Spliss. Außerdem werden andere Märchen und deren Figuren im Film integriert, wie zum Beispiel Rotkäppchen oder Rapunzel. Die Zwerge haben im Gegensatz zum Prätext eigene Namen und Charaktereigenschaften. Der eine Zwerg ist der schlecht gelaunte in der Gruppe, der andere tollpatschig und dümmlich und einer wird als Anführer dargestellt. Außerdem sind sie durchschnittlich groß und erinnern weniger an richtige Zwerge. Schneewittchen tritt erst auf, als sie aus dem Waisenhaus flüchtet. Sie erfährt, dass sie gesucht wird und findet Unterschlupf im Haus der sieben Zwerge. Diese haben im Gegensatz zu den Märchenzwergen ein großes Problem mit Frauen und verbieten strikt das Eintreten von Frauen in ihren Waldabschnitt. Jedoch finden sie sie auf und können sie anhand eines aufgegebenen Suchplakats identifizieren. Sie sind so hingerissen von Schneewittchen, dass sie sie anbetteln zu bleiben. Der Jäger, der währenddessen von der Königin losgeschickt wird, stellt sich im Film dumm an und gibt nur an, Schneewittchen durch seinen Hund getötet zu haben. Im Märchen wird das Mitleid betont, das der Jäger für das Mädchen hat und weswegen er sie nicht töten konnte. Dieser gibt ihr als Täuschung eine Lunge und eine Leber eines Tiers, welche sie im Nachhinein verspeist. Im Film kommt der Jäger mit leeren Händen. Schneewittchen und die sieben Zwerge haben sich währenddessen einen Kompromiss überlegt und das Haus in zwei Hälften aufgeteilt, damit Schneewittchen bei den Zwergen bleiben kann. Auch dieses Element findet sich nicht im Prätext. 

Die Königin findet heraus, dass das Mädchen nicht tot ist und plant einen Angriff. Anders als im Märchen findet jedoch nur ein Versuch statt, Schneewittchen zu beseitigen. Die Königin kommt zusammen mit ihrem Handlanger Spliss (siehe Abbildung 1) und steckt Schneewittchen an ihrem 18. Geburtstag in eine Kühlbox. Die drei Versuche sie zu töten, die im Märchen vorgestellt werden, werden nicht aufgegriffen. Außerdem stellt sich heraus, dass einer der Zwerge der alte König und somit Schneewittchens Vater ist. Die sieben Zwerge bemerken das Verschwinden und erkennen, dass die böse Königin sie entführt haben muss. Im Prätext ist Schneewittchen aufgrund eines giftigen Apfels erstickt und die Zwerge trauern um sie in einem gläsernen Saag. Im Film jedoch brechen die Zwerge auf und beschließen Schneewittchen zu retten. Dies gelingt ihnen und Schneewittchen und ihr Vater können glücklich im Schloss leben. Sie trifft noch im Schloss auf ihren Märchenprinzen, dieser aber im Kontrast zum Märchen, nicht für ihre Rettung verantwortlich ist. Im Film wird die Königin zwar gestürzt, muss aber nicht in glühenden Schuhen laufen. Sie wird um frisiert und arbeitet nun als Reinigungskraft im Schloss.

Durch moderne Elemente und Umgangssprache im Film gibt es klare Unterschiede zum Originalmärchen. Der Film dient weniger der moralischen Message des Märchens, dass Eitelkeit und Neid hässliche Charaktereigenschaften sind, sondern wirkt viel mehr als unterhaltsame Komödie mit veralteten Wertvorstellungen und zweideutigen Passagen. Dabei wird zum Beispiel auf Schneewittchen als Objekt der Begierde dargestellt und verliert somit ihre unschuldige, rein schöne Rolle aus dem Märchentext.

Abbildung 1: Die Böse Königin und Spliss

Sieben Zwerge - Männer allein im Wald, Deutschland, 2004 

Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?

Nachdem die Abweichungen und Veränderungen zum Prätext dargestellt wurden, behandelt der nächste Abschnitt Gemeinsamkeiten der Inhalte des Märchens und des Films. 

Die Verbindung des Spielfilms zu dem Prätext der Brüder Grimm wird durch die Storyline erkennbar. Grobe Handlungsmomente finden sich, wenn auch anders angeordnet, auch im Film wieder. Der Märchenanfang beginnt mit einer Problemsituation. Die, in beiden Darstellungen gleichnamige Königin, erfährt durch einen sprechenden Spiegel, dass das von ihr gehasste Schneewittchen schöner sei als sie. Daraufhin schickt sie sowohl im Film als auch im Prätext den Jäger, um das Schneewittchen zu töten. Schneewittchen findet das Häuschen der sieben Zwerge und darf schlussendlich dort bleiben. Das Auffinden des Schneewittchens durch die sieben Zwerge erfolgt zwar nicht wortgetreu und mit Sätzen wie „wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“ (Grimm, S. 260), sondern durch parodierte Ersetzungen. Außerdem wird auch die Beschreibung Schneewittchens übernommen und einer der Zwerge fragt den Jäger, ob er nach einem Mädchen suche, was Haare schwarz wie Ebenholz, Lippen rot wie Blut und Haut so weiß wie Schnee habe (Welbat, Eilert & Grosch et. al, 2004). Diese Elemente sind auch zentral im Grimm-Text. Der Jäger schwindelt in beiden Darstellungen darüber, dass Schneewittchen tot sei. Die Königin befragt ihren Spiegel und macht sich auf den Weg, Schneewittchen selbst aus dem Weg zu schaffen. Dies gelingt ihr sowohl im Film als auch im Prätext. Nach vielen folgenden Abweichungen wird die Königin jedoch gestürzt und Schneewittchen hat ihren Märchenprinzen gefunden. Es findet keine wörtlich explizite Verbindung zum Prätext in der Verfilmung statt, es werden hauptsächlich Elemente aus dem Grimm-Text aufgegriffen und komödiantisch verändert. Am Ende der Filmhandlung stellt sich heraus, dass einer der Zwerge Schneewittchens Vater ist. Die Vaterrolle scheint ebenfalls inspiriert aus dem Prätext, wird aber erst später in der Verfilmung thematisiert.

Viele der herkömmlichen Textelemente des Originaltextes werden sowohl sprachlich als auch bildlich als Inspiration für die Verfilmung genutzt. Nur die Rolle des sprechenden Spiegels wird eher bildlich dargestellt als versprachlicht. Der Spiegel taucht im Film plötzlich auf und kommt direkt zum Einsatz, ohne von den Protagonist*innen angekündigt zu werden.

Man kann zusammenfassen, dass die Handlung inspiriert ist von dem Märchen der Brüder Grimm, jedoch viele Situationen umformuliert oder frei erfunden sind.


Quellen

Abbildungsverzeichnis