Rapunzel - Neu verföhnt

Walt Disney

USA, 2010

Worum geht es?

Der Zeichentrickfilm "Rapunzel - Neu verföhnt" (Walt Disney, 2010) handelt von einem Mädchen namens Rapunzel , die seit sie sich erinnern kann, mit ihrer vermeintlichen Mutter Gothel in einem hohen Turm im Wald lebt. Noch nie durfte sie den Turm verlassen, da laut Gothel die Welt außerhalb des Turmes für Rapunzel zu gefährlich ist. Was Rapunzel nicht weiß ist, dass sie von Gothel als Baby entführt wurde und ihre Haare die Fähigkeit haben, Personen, die diese berühren zu verjüngen, die Gothel ausnutzt. An ihrem 18. Geburtstag äußert Rapunzel dann ihren sehnlichsten Wusch, den Ort aufzusuchen, an dem jedes Jahr an ihrem Geburtstag Laternen in den Himmel steigen gelassen werden. Gothel lehnt diesen Wunsch ab, woraufhin Rapunzel sich eine List überlegt, Gothel für ein paar Tage loszuwerden. Kurz nach ihrer Abreise kommt Flynn Rider, der auf der Suche nach einem Ort, an dem er sich vor seinen Verfolgern verstecken kann, den Turm hinaufgeklettert. Rapunzel fesselt den Eindringling mit ihren langen Haaren und verhandelt mit ihm, dass er sein Diebesgut erst wiederbekommt, wenn dieser ihr den Platz mit den Laternen zeigt. Somit begeben sich die beiden auf eine abenteuerliche Reise und Rapunzel erlebt, wie wunderschön, aber auch wie gefährlich das Leben außerhalb des Turmes ist.


Mit welchen medialen Inszenierungstechniken erzählt das Märchen?

Bei der medialen Adaption von "Rapunzel-Neu verföhnt" (USA, 2010) werde ich folgend auf den Erzähler, die Computeranimation sowie die Bild- und Tongestaltung eingehen.

Den Erzähler im Film übernimmt der Dieb Flynn Rider, aus dessen Sicht die Geschichte Rapunzels erzählt wird. Zu Beginn erzählt dieser in einem Off-Kommentar, was bisher geschah, um dem Zuschauer einen Einblick in die bisherige Handlung und Ausgangslage zu geben. Nach dem Prolog starten die Dialoge der Protagonisten und die eigentliche Handlung. 

Die 3D-Computeranimation erlaubt es dem Publikum, tief in die Geschichte eintauchen zu können und alles aus nächster Nähe wahrzunehmen. Mithilfe der dreidimensionalen Darstellung wirkt alles sehr dynamisch und der Zuschauer hat das Gefühl, sich mitten im Geschehen zu befinden. Besonders in der Verfolgungsjagd-Szene, in der Wassermengen auf einen zuströmen und in der Himmelslaternen-Szene, in der einem die Laternen über den Kopf hinweg schweben, kommt der Animationsstil besonders zur Geltung. Auch die langen Haare Rapunzels können mithilfe des 3D Effekts sehr gut in Szene gesetzt werden.

Beim Animationsstil wurden bei den Formen möglichst harmonisch geformte Elemente mit weichen Rundungen verwendet. Auf Kanten und Ecken wurde dabei hauptsächlich verzichtet, wodurch eine sehr weiche und harmonische Umgebung entsteht. Die realistischen Oberflächen und charakteristischen Eigenschaften verschiedener Elemente wurden jedoch übernommen und lassen die Welt ausgesprochen glaubwürdig erscheinen. Zur Farbgestaltung lässt sich festhalten, dass die Verfilmung insgesamt sehr farbenfroh gestaltet ist. Mit der großen Farbvielfalt, gesättigten Farben und einer ganzen Reihe an prächtigen, bunten Figuren schaffen es die Disney Produktion, die erfundene Welt sehr real wirken zu lassen. Eine wichtige Rolle im Farbenspiel übernimmt das Chamäleon Pascal, der stumme Begleiter Rapunzels, der fröhlich seine Farben wechseln kann. 

Die Verwendung des Lichts ist die meiste Zeit leuchtend hell und warm, wodurch alles sehr fröhlich und ansprechend wirkt. Auch Elemente wie der hohe Turm wirken durch ihre Belichtung sehr einladend. Es werden mithilfe des Lichts aber auch einschüchternde und bedrohliche Szenen erzeugt, wie zum Beispiel in der Waldspelunke, in die Flynn Rapunzel mitnimmt. Diese wirkt zu Beginn sehr düster, mysteriös und unheimlich, da sie nur spärlich beleuchtet ist (00:37:15). Sobald Rapunzel die Räuber dazu bringt, in das Lied, das sie singt, einzusteigen, wird die Beleuchtung sehr theatralisch und es kommen Scheinwerfer hinzu. Auch in der Szene, in der Gothel ihren Song „Mother knows best“ (00:57:44) singt, wirkt sie durch die halbdunkle Beleuchtung böse und gefährlich. Die Beleuchtung hat somit auch große Auswirkungen auf die Atmosphäre, die erzeugt wird. Was auch mithilfe der Beleuchtung dargestellt wird, sind die magischen Haare Rapunzels. Sobald jemand die Beschwörungsformel singt, bekommt der Zuschauer den Eindruck, als würde wellenförmig Energie von den Haaren ausgehen und es macht den Anschein, als wären die Haare von innen beleuchtet.
Charakteristisch für diesen Film - und generell die meisten Disney-Werke - sind die in den Film eingebetteten Musikeinlagen. Die Lieder von dem preisgekrönten Komponisten Alan Menken erlauben es den Zuschauern, einen tieferen Einblick in die Charaktere zu erlangen und sich mit ihnen leichter identifizieren zu können. Gesungen werden die Lieder hauptsächlich von den Protagonisten, die damit ihre Gefühle und Gedankengänge ausdrücken, die sprachlich in der Handlung nicht mehr geäußert werden. Wie zum Beispiel die Lieder „Wann fängt mein Leben an" (00:06:10) und „Endlich sehe ich das Licht" (01:07:03). Die musikalische Untermalung unterstützt außerdem die Vermittlung einer gewissen Atmosphäre.

Die Abenteuergeschichte spricht in ihrem Zeichentrickdesign jedes Publikum an und ist ein actionreicher Abenteuerfilm für jung und alt. Durch den abenteuerlichen Charakter und viele humorvolle und actionreiche Szenen richtet sich der Film nicht nur an "Prinzessinnen-Filmen" Interessierte. Während der Film an sich einen sehr hohen Unterhaltungscharakter hat, können aber auch gerade für Jugendliche oder Erwachsene die anspruchsvollen Themen wie zum Beispiel die Selbstfindung, die beide Protagonisten durchlaufen, sehr ansprechend sein. 

Wie wird die Geschichte verändert?


Der Disney Zeichentrickfilm „Rapunzel-Neu verföhnt“ stellt eine lose Adaption des Volksmärchens „Rapunzel“ der Gebrüder Grimm dar. Somit lassen sich viele Unterschiede in Bezug auf die Handlung als auch die Figuren herausstellen.


Relativ schnell fällt einem der ständische Unterschied von Rapunzel auf. Während sie im Märchen als bürgerliches Mädchen beschrieben wird, stellt sie in der Verfilmung die Königstochter des Königreichs Corona dar. Im Gegensatz dazu ist der Befreier Rapunzels in der Verfilmung kein Prinz wie in Grimms Märchen, sondern wird zu einem Dieb und Betrüger deklassiert, siehe Abb. 1. Dementsprechend unterscheidet sich auch das Ende des Films vom Prätext, da Rapunzel somit nicht mit dem Prinzen in ein fremdes Königreich reitet, sondern mit Flynn Rider an ihrer Seite zurück zu ihren leiblichen Eltern in den Palast kehrt. 




Abb. 1 Dieb Flynn Rider 

Rapunzel - Neu verföhnt, Screenshot (00:05:52)

Abb. 2 Rapunzel bedroht Flynn mit einer Bratpfanne

Rapunzel - Neu verföhnt, Screenshot (00:26:39)

Während Rapunzel im Märchen im Turm auf ihre Befreiung wartet, plant sie im Film ihre Flucht selbst und wird nicht nur durch eine List Gothel für ein paar Tage los, sondern schafft es auch, den Dieb Flynn Rider zu einem Versprechen zu nötigen, siehe Abb. 2. 


Um die Verfilmung kindgerecht zu halten, hat Disney einige grausame und skurrile Szenen des Prätextes abgewandelt oder ganz weggelassen. Dazu zählen auch die Handlungen der Hexe, als diese von der Beziehung zwischen Rapunzel und dem Prinzen erfährt. Im Prätext schneidet sie Rapunzel die Haare ab und verbannt diese in die Wildnis. Daraufhin verkleidet sie sich als Rapunzel und verwirrt den verliebten Prinzen so sehr, bis dieser aus dem Turmfenster springt. Dabei verletzt sich der Prinz an den Dornbüschen, die sich um den Turm ranken, erblindet und irrt jahrelang durch den Wald (Brüder Grimm, 1986). In der Verfilmung sticht Gothel Flynn nieder. Daraufhin schneidet Flynn, bevor Rapunzel seine Wunde mit ihren Haaren heilen kann, ihre Haare mit einer Spiegelscherbe ab, wodurch diese ihre Magie verlieren und Gothel anfängt, in Sekundenschnelle zu altern. Gothel fällt anschließend aus dem Fenster des Turms in die Tiefe. Obwohl die magischen Haare Rapunzels nun abgeschnitten sind, kann eine Träne Rapunzels Flynn letztendlich wiederbeleben. 


Neben der Übernahme der Hauptcharaktere aus dem Prätext wurden in der Verfilmung weitere Nebencharaktere eingeführt. Der filmischen Adaption geben das ausdrucksstarke Chamäleon Pascal, Rapunzels einziger Gefährte im Turm und Maximus, das Pferd des Schlosshauptmanns, das später Rapunzel und Flynn bei ihrer Flucht begleitet, zusätzlich unterhaltsamen Charakter, siehe Abbildung 3 und 4. Hinzu kommen die Stabbington-Brüder, die zu Beginn die Komplizen von Flynn verkörpern und später diesen verfolgen und eine Gruppe von Räubern, die Rapunzel und Flynn in der Waldspelunke treffen. 

Abb. 3 Chamäleon Pascal

Rapunzel - Neu verföhnt, Screenshot (00:53:09)

Abb. 4 Pferd Maximus

Rapunzel - Neu verföhnt, Screenshot (00:35:13)

Abb. 5 Rapunzels magische Haare

Rapunzel - Neu verföhnt, Screenshot (00:52:26)

Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?


Die filmische Adaption „Rapunzel-Neu verföhnt“ erzählt eine ganz eigene Geschichte mit Elementen und Motiven aus dem altbekannten Märchen der Brüder Grimm. Der Zusammenhang mit dem Volksmärchen lässt sich jedoch direkt am Titel erahnen, da dieser übernommen und lediglich durch eine Wortneuschöpfung erweitert wurde. Dieser deutet außerdem direkt auf eine neue Version des Märchens hin. 


Der Handlungsrahmen sowie entscheidende Merkmale und Elemente wurden aus dem Volksmärchen übernommen. Den gleichbleibenden Handlungsverlauf bilden dabei die Entführung Rapunzels kurz nach ihrer Geburt, das Leben eingesperrt im Turm, die Flucht aus dem Turm sowie die Liebesgeschichte am Ende. Zu den entscheidenden Merkmalen zählen die ungewöhnlich langen und magischen Haare Rapunzels, das eine sehr wichtige Funktion in Grimms Märchen einnehmen und auch in der Verfilmung das Hauptmerkmal darstellen. Im Film werden sie auf der Bildebene leuchtend dargestellt, um ihre magische Wirkung zu verdeutlichen, siehe Abbildung 5. Rapunzels langes Haar ist der einzige Zugang zum abgelegenen hohen Turm, welcher ein weiteres Merkmal darstellt. 


Die Hexe sowie Frau Gothel kommen nur hinauf, wenn Rapunzel ihr Haar herunterlässt und diese daran hinaufklettern. Dabei spricht die Hexe das bekannte Zitat: „„Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!““ (Brüder Grimm, 1986, S. 15), das auch in der Verfilmung zum Einsatz kommt (00:35:10). Ein weiteres Merkmal stellt die Träne von Rapunzel dar. Im Prätext hört der erblindete Prinz zufällig den Gesang der verbannten Rapunzel und ihre Tränen können anschließend seine Augen heilen und in der Verfilmung kann Flynn Rider durch eine Träne Rapunzels wiederbelebt werden. Eine deutliche Parallele zeigt sich auch im Happy-End, welches in beiden Versionen im Königreich endet. Im Märchen nimmt der Prinz Rapunzel, nachdem diese ihm sein Augenlicht zurückgeben konnte, mit zu sich ins Königreich, während in der Verfilmung Rapunzel Flynn mit ins Schloss zu dem Wiedersehen mit ihren Eltern nimmt, siehe Abb. 6.


Es lässt sich somit festhalten, dass der Animationsfilm von Disney, sich weit von seiner literarischen Vorlage, dem beliebten Grimm Märchen, entfernt. Lediglich die grundlegenden Merkmale und Figuren wurden übernommen und in eine actionreiche und humorvolle Geschichte eingebaut. 

Abb. 6 Wiedersehen mit Rapunzels Eltern

Rapunzel - Neu verföhnt, Screenshot (01:29:33)

Quellen