Janosch erzählt Grimms Märchen - Der Froschkönig

von Janosch (Horst Eckert)

Worum geht es?

Das Märchen "Der Froschkönig" von Janosch thematisiert, dass es mehr als Schönheit im Leben gibt. Zu Beginn spielt der schöne Froschkönig unter Wasser mit seiner goldenen Luftkugel. Durch ein Missgeschick gelangt diese allerdings außerhalb des Wassers und seiner Reichweite. Ein Mädchen entdeckt den traurigen Frosch und bietet ihre Hilfe an unter der Bedingung, dass er sie heiratet. Der Frosch willigt ein, obwohl sie ihm nicht gefällt. Allerdings glaubt er, dass sie sowieso nicht unter Wasser mit ihm leben könne. Nachdem sie ihm die Luftkugel geholt hat, bricht er sein Versprechen und verschwindet im Wasser. Sie schwimmt ihm nach und fordert ihn auf, sein Versprechen zu halten. Der Vater des Froschkönigs zwingt ihn dann, sich dem Mädchen zu widmen. Schlussendlich, nachdem sie vom Becher und Teller des Froschkönigs gegessen und getrunken hat, will sie neben ihm schlafen. Das wird dem schönen Froschkönig zu viel und er tötet sie durch Ertrinken. Sie verwandelt sich in eine schöne Froschprinzessin und erzählt, dass sie durch eine Notlage ein Mensch werden musste.

Wie wird die Geschichte verändert?

Das Märchen weicht vom Original ab, indem dieses komplett umgekehrt aus der Perspektive des Frosches erzählt wird. Aus der schönen Prinzessin wird das „hässliche“ Mädchen, aus dem hässlichen Frosch der „schöne Froschkönig“ (Janosch, S. 70). Die grundlegende Nachricht, die der Autor vermitteln möchte, ist, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt.

In der vorliegenden Version des Märchens „Der Froschkönig“ der Brüder Grimm wird durch ein einziges Adjektiv „schön“ die Schönheit in den Fokus des Erzählens gerückt. Das Adjektiv taucht dabei selbst nicht in jedem Satz durchgängig auf, sondern ist in anderen Deklinationen immer wieder präsent. So zum Beispiel als: „Schön, schöne, schöner.“ Zum Beispiel bei den Aussagen: „Schöner grüner Froschkönig“, „Ich habe meine schöne goldene Luftkugel verloren“, „Sie war nicht besonders schön“ (Janosch, S. 70f.). Dieses spielerische Hinzufügen des Adjektivs sorgt beim Leser dafür, dass ein einzelnes Individuum „der schöne Froschkönig“ in den Fokus der Erzählung gerückt wird. Zu Beginn wird unsere Hauptfigur „der schöne Froschkönig“ eingeführt, der mit seiner „goldenen Luftkugel“ im Teich spielt (Janosch, S. 70).

Insgesamt setzt sich der Text aus 109 Zeilen zusammen, von denen 44 Zeilen in wörtlicher Rede verfasst sind. Dies entspricht einem Anteil von ca. 45 bis 50%. Ein großer Anteil an wörtlicher Rede sorgt bei Leser*innen dafür, dass diese sich direkt am Geschehen beteiligt fühlen. Der Erzähler nimmt die Perspektive des „extra diegetisch-heterogenetischen“ (Scheffel, S. 82) Erzählers ein, er mischt sich selten durch Kommentare oder Wertungen ein. Das Gefühl unmittelbar am Geschehen dran zu sein wird so verstärkt. Diese Beobachtung spielt eine große Rolle, weil ein hoher Anteil wörtliche Rede den Adressaten am Geschehen teilhaben lässt. 

Die Handlung bleibt in ihrer Grundstruktur erhalten, bekommt durch das Wort „schön“ aber einen komplett neuen Anstrich. Man kann diese Beobachtung an „Das Mädchen freilich gefiel dem Froschkönig überhaupt nicht, denn sie war nicht besonders schön“, „Sie hatte zu kurze Beine, war auch etwas zu dick und ihre Haare waren wie Stroh“, verdeutlichen (Janosch, 1995, S. 71). Hier greift der Autor die bestehenden Vorurteile innerhalb der Gesellschaft auf. Er spitzt die Situation zu und schafft dies mit der bloßen Veränderung eines Wortes. Intuitiv wird der Leser gezwungen, sich so mit der Frage: Was ist Schönheit? auseinander zu setzen. Er kritisiert mit Sarkasmus und Ironie nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern auch die Gattung der Märchen, da dies so strukturiert typische Merkmale aufweist. Er bricht diese simplen Strukturen auf, um darauf aufmerksam zu machen, dass Schönheit nur ein kleines Detail eines einzigen Individuums ist.

Das Geschehen wird immer stärker auf einen Höhepunkt gelenkt und gipfelt in eine Katastrophe. Diese Katastrophe zeigt, welche Folgen eine Reduktion des Einzelnen zur Folge hat. Dieser Höhepunkt soll den Rezipienten einen Schock versetzen und ihn dazu verleiten Situationen, Handlungen und Entscheidungen mehrfach zu überdenken. Das nicht schöne Mädchen wird vom Frosch unter Wasser getötet. Eine komplette Veränderung des Märchenendes hat dies zur Folge. Dem Leser soll an dieser Stelle der Atem stehen bleiben, diese Wirkung wird auch durch das Bild verstärkt. Das Bild zeigt eine Momentaufnahme des Geschehens. Es ist weniger informativ als der Text. Durch die grünlichen Farbtöne wirkt es gruselig. Auf dem Bild selbst sieht man, wie der Froschkönig dem Mädchen den Mund zuhält, um dieses zu ertränken. Das Bild soll moralisieren. Die Moral an den Leser hierbei ist, dass er mit seinem Fehlverhalten den Menschen auf das Kleinste zu reduzieren nicht aufhört, dieser dann an den Herausforderungen, die die Gesellschaft an ihn stellt, zerbricht. Der Leser soll begreifen, dass jeder Mensch Unterschiede besitzt, diese Unterschiede machen jeden einzelnen aber zu etwas Besonderem. Das hässliche Mädchen verwandelt sich nach der Tötung in eine „schöne grüne Froschprinzessin.“ (Janosch, S. 75). Beim Leser entsteht so zum Schluss eine beruhigende Wirkung, da das Märchen doch noch gut ausgegangen ist.

Das Spiel mit der goldenen Kugel

Aus: Janosch erzählt Grimms Märchen. S.74.

Die Tötung des Mädchens 

Aus: Janosch erzählt Grimms Märchen.  S.74.


Die schöne Froschprinzessin

Aus: Janosch erzählt Grimms Märchen. S.75.

Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?

Betrachtet man das Buchcover, so fällt direkt auf, dass das Werk auf die Märchensammlung der Brüder Grimm verweist. Der Titel „Janosch erzählt Grimms Märchen“ signalisiert der Leserin/dem Leser, dass das Buch die bekanntesten Märchen von den Brüdern thematisiert.

Es lassen sich kleinere und größere Verweise auf den Prätext finden. Zu den kleineren Anspielungen gehören:

Die Verbindung zum Prätext wird im Text selbst, aber auch in Paratexten thematisiert. Hierfür wäre beispielhaft die Rückseite des Buchcovers zu nennen, auf der es heißt; „Janosch erzählt die Märchen der Brüder Grimm neu und oft ganz anders“ (Janosch, O.s).

Schaut man noch genauer in den Erzähltext, so lassen sich sehr viele einzelne direkte Verweise auf das Originalmärchen finden. Nennen lässt sich hier einerseits, dass das Märchen auch „Der Froschkönig“ heißt. Auf der anderen Seite vollzieht die Hauptfigur exakt die gleiche Tätigkeit wie im Original die Prinzessin. So zum Beispiel:  Das Spielen mit der goldenen Kugel und die Aussage: „und das war ihr liebstes Spielwerk“ / „Das war sein liebstes Spiel“ (Janosch, S. 70 und Grimm, Schroeder, O.s).

Es lassen sich noch mehr indirekte Übernahmen finden, so zum Beispiel:

„Aber in seiner Not und weil er so an der goldenen Luftkugel hing, dachte er: „Was redet sie da für dummes Zeug? Sie kann erstens gar nicht tauchen und nicht schwimmen, außerdem ist sie doch ein Landmensch. Was will sie hier unter Wasser? (Janosch, 1995, S. 72). gegenüber „Sie dachte aber: „was der einfältige Frosch schwätzt, der sitzt im Wasser bei seinesgleichen und quakt und kann kein Menschengeselle sein.“ (Grimm. Schroeder, 1990, O.s).

Als sie ihm wegläuft oder schwimmt, sind die Worte „Warte, warte“ identisch. (Janosch, 1995, S. 72).

Auch die Szene als die Königstochter beim Essen sitzt, ist ähnlich. Dort wird mit den Worten „Königstochter, jüngste, mach mir auf“ und den Worten „Mach mir auf, Froschkönig!“ um die Öffnung der Tür gebeten (Grimm, Schroeder, O.s und Janosch, S. 72). Diese Bitte wiederholt sich und wird als direkte Anspielung auf den Prätext in beiden Werken aufgegriffen. Einmal haben wir die Äußerung: „Königstochter, jüngste mach mir auf, weißt du nicht, was gestern du mir gesagt bei dem kühlen Brunnenwasser? Königstochter, jüngste mach mir auf“ (Grimm, Schroeder, O.s). In Janoschs Version taucht diese Wiederholung als „Froschkönig, mein Liebster, lass mich rein!" Weißt du nicht mehr, was du mir oben im Schilf versprochen hast? Froschkönig, Liebster lass mich doch endlich herein“ (Janosch, S. 73). 

Schlussendlich wird eine klare Verbindung zum Prätext erkennbar. Diese ist klar von Janosch gewollt und mit dieser wird unverkennbar in seiner Erzählung gespielt.

Wie verhält sich die neue Gattung zu Gattung Märchen?

Durch das von Janosch hinzugefügte Adjektiv „schön“ wird das ursprüngliche Märchen "Der Froschkönig" der Brüder Grimm in seiner Wirkung stark verändert. Ein Merkmal der Texte von Janosch ist, dass dieser „alle Adjektive und Verben“ ersetzt und dem Originaltext so seine eigene Wirkung verleiht (Zitzelsberger, S.19). Er spielt mit diesem Hinzufügen der Adjektive. Dieses Spiel zeichnet gerade diesen Autoren aus.  Janosch erzählt die Geschichte genau andersherum: Der Handlungsort wird von Land zum Wasser geändert, es gibt eine Luftkugel statt einer Goldkugel und einen Froschprinzen statt eines Prinzen. Bei Janoschs Texten lässt sich aus diesem Grund auch von einer „Adoption und Transformation“ der Texte sprechen (Kammler, S. 6).

Gleich zu Beginn lassen sich Märchenmerkmale feststellen. Die fiktionale Erzählung startet mit der Eingangsformel: "Es war einmal ein schöner grüner Froschkönig" (Janosch, S.70). Mit dieser Eingangsformel gelingt es, den Leser ins Geschehen hineinzuziehen. Diese einfache Methode sorgt für eine entsprechende Lesehaltung. Neben der Eingangsformel, die jedes Märchen charakterisiert, gibt es noch sechs andere Merkmale, welche „abstrakter Stil, Flächenhaftigkeit, Welthaltigkeit, Isolation und Allverbundenheit, Eindimensionalität und sublimiert genannt werden“ (Kammler, S. 5).

Unter abstraktem Stil versteht man, dass das Märchen leicht geschrieben ist. Es treten wenige Figuren auf. Darunter sind der Froschprinz, Mädchen und der Alten Froschkönig. Der Begriff der Flächenhaftigkeit meint, dass man wenig über die Protagonisten erfährt. Beide Protagonisten spielen gerne mit ihrer Kugel. Isolation und Allverbundenheit besagt, dass jede handelnde Figur sich aus der Einsamkeit selbst befreien kann und nach dem erlebten Abenteuer wieder mit allen verbunden ist. Nachdem die Geschichte beendet ist, leben die Figuren in ihrer eigenen Welt weiter. Das Märchen trägt zur Welthaltigkeit bei, weil es individuelle Themen behandelt. Hier das Thema der Schönheit. Mit Eindimensionalität beschreibt man, dass ein unvorhergesehenes Ende eintritt. Das Mädchen wird vom Froschprinz getötet. Soll ein sozialer Erlebnishintergrund dem Schüler/der Schülerin nahegebracht werden, spricht man von sublimiert.

Janosch versucht in seiner Version die Vorurteile innerhalb der Gesellschaft aufzugreifen. Er spitzt die Problematiken durch Sarkasmus zu und lässt die Leser*innen noch viel genauer über mögliche Handlungsoptionen reflektieren. Auch die Eindimensionalität wird bei Janoschs Version anders in Szene gesetzt. Hier tritt die unvorhergesehene Situation zwar ein, hat jedoch eine komplette Änderung des Märchenendes zur Folge. Horst Eckert (Janosch)  thematisiert die Märchen in seinen Transformationen. Er spielt mit Sarkasmus, um unseren Blickwinkel zu schärfen und uns darauf aufmerksam zu machen, was wirklich wichtig im Leben ist.

Quellen