Hänsel und Gretel 

Francesca Cosanti

Worum geht es?

Das Bilderbuch "Hänsel und Gretel", welches von Francesca Costanti illustriert wurde, basiert auf der Erzählung der Brüder Grimm. Das Märchen wird hier mit Hilfe von aussagekräftigen Bildern untermauert und auf eine prägnante, individuelle Art- und Weise interpretiert. Die Geschichte wird unverändert von den Brüder Grimm übernommen. Die Bilder untermauern die das Märchen und repräsentieren den Inhalt deutlich anschaulicher. Das klassische Märchen und die Emotionen sowie Atmosphären werden mit Hilfe der gehaltvollen Bilder geschmückt. Die Bilder zeigen leuchtende aber dunkle Farben und heben die im Märchen vorkommenden essenziellen Details, wie z.B. die Kieselsteine, den Wald, die Kinder sowie den Ofen stark hervor, indem diese sehr flächendeckend und groß abgebildet werden. 


Wie sind Bilder gestaltet?

Der Text in dem Buch ist identisch zu der Erzählung der Gebrüder Grimm und die Bilder spiegeln die Geschehnisse im Text wider. Es lässt sich jedoch feststellen, dass wenn man Bild und Text vergleicht, der Text häufig mithilfe der Bilder angereichert wird. In diesem Fall sagt der Text teilweise weniger aus, als die dazugehörigen Bilder. Auf einigen Seiten erscheint der Text allerdings aussagekräftiger als das dazugehörige Bild. Der Text ist auf diesen Seiten relativ aussagekräftig und detailreich, das Bild drückt dann allerdings nur die Stimmung aus, die in dem Text vermittelt wird. Einige Bilder sind somit sehr simpel gehalten und greifen nicht jedes Textdetail auf. Diese Bilder dienen vielmehr dazu, die Stimmungen und Emotionen widerzuspiegeln, welche in dem Text nahezu gar nicht beschrieben werden.

Beispielsweise wird das Gefühl von "Angst", welches Gretel vermutlich in Zusammenhang mit dem Freiheitsentzug ihres Bruders verbindet, im Text nicht thematisiert, jedoch in den Bildern ausgedrückt und dargestellt.

Unter anderem charakterisiert die "Flächenhaftigkeit" den Stil von Märchen. Es bedeutet, dass der Leser über das Innenleben der Figuren kaum etwas erfährt (Kammler, 2020). Auch im Märchen "Hänsel und Gretel" erfährt der Leser nichts darüber, ob die Kinder ängstlich oder besorgt sind.

Die Kinder handeln mit aller Selbstverständlichkeit, ohne dass die Gedankengänge oder Gründe für das Verhalten konkretisiert werden. Die Bilder dienen jedoch dazu, dem Leser tiefere Einblicke in die Geschehnisse zu geben und den "oberflächlichen" Text mit einer gewissen Stimmung zu untermauern und anzureichern. 

Des Weiteren soll auf die Aussagekraft und Gestaltung der Bilder in dem Buch eingegangen werden. Die Bilder erzeugen eine sehr düstere Stimmung. Diese Stimmung zieht sich durch das ganze Buch hindurch. Die Bilder enthalten viele dunkle Farben und viele schattige Elemente. Bei der Perspektive handelt es sich um eine Perspektive auf Augenhöhe, was bedeutet, dass der Leser einen gesamten Überblick über das Geschehen erhält. Häufig zeigt sich auch eine Detail - Ansicht, was bedeutet, dass einzelne Details besonders groß und deutlich erscheinen. Diese Ansicht erzeugt eine sehr bedrohliche Stimmung, da Details hervorgehoben werden, die besonders angsteinflößend sind, wie z.B. der Ofen oder die Hexe, wie sie in den Ofen geschubst wird. 

Auch das Hexenhaus ist nicht bunt dargestellt, sondern ebenfalls in dunkleren Farbtönen. Es wird somit nicht "versüßt" illustriert, sondern es bleibt passend zu dem Rest der Bilder. Es erzeugt den Eindruck, als würden die Kinder nicht aus Naivität bzw. unkontrolliertes Verlangen nach den Süßigkeiten an dem Haus knabbern, sondern eher aufgrund ihres Hungergefühls. Denn das Haus wird nicht verlockend, durch viele bunte Süßigkeiten dargestellt, sondern sehr unspektakulär und düster. Auch der Ofen wird extrem beängstigend und ungeheuerlich dargestellt. Der Ofen wird vermenschlicht, indem er menschliche Merkmale wie Augen, Nase und Mund aufweist. Jedoch erscheint der Ofen durch die Größe, die dunklen Farben und den weit geöffneten Mund eher wie ein Ungeheuer als wie ein Mensch.

Die Bildsprache adressiert vermutlich Kinder, vermittelt jedoch wie zuvor beschrieben eine sehr beängstigende Stimmung. Die Bildsprache verharmlost das Märchen nicht, sondern untermauert die dramatischen Momente des Märchens durch das Hervorheben der erschreckenden Details. Für einige Kinder könnte das Bilderbuch eine angsteinflößende Wirkung haben.

Cosanti, F. (2017). Hänsel und Gretel.

Wie wird die Geschichte verändert?

Im Folgenden werden die Beobachtungen zu der Text- und Bild-Kombination unter Berücksichtigung von spezifischen Elementen erläutert.

Wie bereits herausgearbeitet vermitteln die Bilder eine sehr düstere Stimmung und untermauern die Emotionen, welche in dem Text nur mithilfe von Interpretation zugänglich werden. Auch der Schauplatz bzw. die Umgebung wird durch die Bilder definiert. Auffällig ist, dass Text allein harmloser erscheint als die Bild-Text-Kombination. 

Die Beschreibung des Hexenhauses verleitet dahingehend zu denken, dass es sich um ein buntes Haus handelt, welches durch die vielen Süßigkeiten eine verlockende Optik enthält. Jedoch ist das Haus sehr monoton und in düsteren Farben dargestellt. 

Die Kinder vermitteln durch die Bilder den Eindruck, nicht so naiv zu sein, sondern machen einen sehr selbstständigen Eindruck. Es lässt sich vermuten, dass die Kinder nicht aus Neugierde an dem Haus knabbern, sondern aufgrund ihres Hungergefühls, da das Häuschen keine verlockende und versüßte Optik aufweist. Aufgrund dessen vermitteln die Kinder ein sehr rational gesteuertes Verhalten im Gegensatz zu der Textgrundlage. 

Auch das Gesicht der Figur "Gretel" wirkt sehr erwachsen. Ihre Gesichtszüge vermitteln nicht den Eindruck von Angst oder Sorge, sondern von Entschlossenheit und Selbstsicherheit. 

Das Verhalten der Kinder wirkt von Beginn an sehr intelligent und zielgerichtet. Dass die Kinder auf die Idee kommen, sich auf einem Bild im Wald ein Feuer zu machen, zeigt, dass sie sehr selbstständig handeln. 

Die Kinder werden mithilfe der Bilder wie junge Erwachsene dargestellt, die aufgrund ihrer Mündigkeit heiklen Situationen entkommen können. 

In dem Text wirken die Kinder zwar durch ihre anfängliche Idee, eine Spur mithilfe von Brotkrümeln zu hinterlassen, sehr intelligent, jedoch wirken sie aufgrund der aus dem Text resultierenden Neugierde sehr kindlich und naiv. 

Das Bild, welches die Reaktion der Kinder zeigt, nachdem sie die Hexe erstmalig sehen, vermittelt ebenfalls nicht den Eindruck von Angst oder Verzweiflung. Die Kinder schauen mit offenem Mund und hochgezogenen Augenbrauen nach vorne und wirken sehr überrascht, aber ängstlich oder eingeschüchtert. 

Das Haus der Familie, welches zu Beginn des Buches abgebildet ist, wirkt zwar düster, aber dennoch sehr modernisiert. Es wirkt nicht so, als sei der Vater ein "bettelarmer" Holzfäller. In diesem Fall widersprechen sich Text und Bild.

Wie erkennt man die Verbindung zum Prätext?

Vergleicht man Text- und Bild, wird erkennbar, dass es sich um das Märchen "Hänsel und Gretel" handelt. Auch wenn die Stimmungen auf Bildebene stark intensiviert werden und die Charaktereigenschaften der Kinder auf Bildebene einen anderen Eindruck vermitteln als im Text allein, ist allein auf der Bildebene zu erkennen, dass es sich um das Märchen "Hänsel und Gretel" handelt. Die Chronologie der Ereignisse auf den Bildern stimmt mit den im Märchen beschriebenen Ereignissen überein. 

Quellen